In der modernen Hundeausbildung wird immer mehr Wert darauf gelegt, dass über positive Verstärkungen der Hund das Erlernte sehr motiviert und gleichzeitig präzise vorführt.
Folgende Möglichkeiten zur Hundeausbildung gibt es:
1) mit positiver Verstärkung (bezeichnet man als C+; z.B. Bällchen, Futter, Lob, Clicker etc.)
2) durch Strafreize (bezeichnet man als C-; z.B. "Pfui", Stachel, Strom
3) durch den Wegfall negativer Reize, wenn das richtige Verhalten gezeigt wird (bezeichnet man als C- durchgestrichen)
4) das Ausbleiben einer Verstärkung - Lernen über Frustration, wenn das gewünschte Verhalten nicht gezeigt wird.
Auf der VDH DM hat Richter Scherkl sehr genau darauf geachtet und auch negativ bewertet, wenn ein Hund Calming Signals (Beschwichtigungssignale) zeigte. Sind wir also gespannt darauf, ob auch in OG Prüfungen Leistungsrichter offensichtliche "Negative Zwänge" in Punktabzüge ummünzen. Meiner Meinung nach ist allerdings die Zeit der "harten Ausbilder" immer mehr vorbei.
Beobachtungen an frei lebenden Wölfen haben gezeigt, dass sie Meister im Konfliktlösen sind. Sie vermeiden Auseinandersetzungen, wann immer es geht. In diesem Zusammenhang hatte man schon relativ früh erkannt, dass Wölfe über ein umfangreiches Repertoire an Signalen verfügen, die dazu dienen, Konflikte zu entschärfen und Spannungen abzubauen. Allerdings wurden sie lange Zeit nicht richtig erforscht, außerdem hatte man ihre Existenz nicht auf die Hundewelt übertragen.
Dies alles war Anlass für die norwegische Hunde-Expertin und -Trainerin Turid Rugaas, Ende der 1980er Jahre eine Untersuchung zu starten. Hunderte von Hunden wurden beobachtet, es entstanden Videos und Diaserien. Das Ergebnis war eindeutig: Auch die Hunde wenden regelmäßig konfliktlösende Signale an - von Welpenbeinen an bis ins hohe Alter. Jeder Hund, überall auf der Welt, sendet diese Signale aus und kann sie seinerseits auch lesen. Eine Vielzahl verschiedener so genannter "Calming Signals" (Beschwichtigungssignale) wurde identifiziert.
Hunde können aber auch in der gleichen Situation unterschiedliche Beschwichtigungssignale zeigen. Ein Hund kann innehalten, still stehen bleiben, den Kopf zur Seite drehen und sich das Maul lecken, während ein entgegen kommender Hund langsam im Bogen um ihn herum geht, am Boden schnüffelt und darauf achtet, dem stehenden Hund die Körperseite zuzuwenden.
Natürlich besteht die Ausdrucksvielfalt des Hundes nicht nur aus Beschwichtigungssignalen, sondern auch aus Drohgebärden, die als distanzfordernde Signale bezeichnet werden. Sie bestehen aus Zähnefletschen, Knurren, Bellen, Scheinangriff und Schnappen.
Was zum Beispiel Hunde an uns Menschen bedrohlich finden, ist zorniges und aggressives Verhalten, direktes auf sie zu gehen, uns über sie beugen, sie anstarren, festhalten und ähnliches. Ein Hund wird als erstes versuchen, den Bedroher zu beschwichtigen; ausgenommen die Bedrohung kommt unerwartet, etwa wenn ein Kind stolpert und auf einen schlafenden Hund fällt.
Wenn wir dies alles wissen und verinnerlicht haben, dürfte es uns nicht schwer fallen, das Verhalten unseres und das anderer Hunde positiv zu beeinflussen. In der Nähe eines Hundes haben wir immer die Wahl:
„Wir können uns drohend und damit feindlich verhalten“ oder „beschwichtigend und damit freundlich“.
Egal wie wir uns entscheiden, es wird Auswirkungen auf unsere Beziehung zu diesem Hund haben. Wenn wir eine drohende Haltung einnehmen, wird der Konfliktlöser Hund versuchen, uns zu beschwichtigen. Falls ihm das nicht gelingt, wird er versuchen uns zu vertreiben. Warum sollten wir aber einem Hund drohend gegenübertreten? Es gibt keinen Grund dafür und auch keine Entschuldigung.
„Wie setze ich die Beschwichtigungssignale im täglichen Leben beim Umgang mit unserem Hund ein.“
Viele von Euch haben sicher schon erlebt, dass ihr Hund plötzlich anders als sonst reagiert, wenn man mit ihm beginnt, sich auf die vom VDH vorgeschriebene Begleithundeprüfung (BH) vorzubereiten. Erinnern wir uns:
- wir geben ihm vorschriftsmäßig laut das Kommando „Platz“
- der Hund legt sich zögerlich;
Hund liegt im Platz; wir bauen uns in einer Entfernung von etwa 15 m frontal vor dem Hund auf und rufen wieder laut „Hier“
- der Hund beginnt schnell herzulaufen, wird immer langsamer, macht vielleicht sogar einen leichten Bogen und setzt sich u.U. einen Meter entfernt schräg zu uns hin,
- wir gehen mit dem Hund ein Stück „Bei-Fuss“, geben das Kommando „Sitz“ und entfernen uns etwa 10 m von ihm, drehen uns zu unserem Hund um, warten kurz und gehen dann mit zügigen Schritten frontal zu ihm zurück
- der Hund dreht den Kopf zur Seite und wird vielleicht sogar seine Position so verändern, dass er uns die Seite zeigt.
- Warum verhält sich unser Hund plötzlich so?
- Hat er aus irgendeinem Grund Angst vor uns?
- Will er uns dominieren, indem er macht was er will?
- Hat er keine Lust mehr usw.?
Nichts von alledem!
Durch unsere Haltung, unsere Körpersprache haben wir unseren Hund verunsichert; er fühlt sich gar bedroht. Er kann uns einfach nicht mehr einordnen. Also beginnt er Beschwichtigungssignale zu uns auszusenden. Dieses sind in obigen Beispielen:
- das Tempo verzögern
- einen Bogen laufen
- schräg vor uns sitzen
- Individualdistanz einhalten
- Kopf zur Seite drehen
- Körperseite zeigen
Unser Hund wird alles versuchen uns zu beschwichtigen, uns zu bewegen, unsere für ihn unangenehme bis bedrohliche Körperhaltung aufzugeben.
„Zur Zeit sind ihr etwa 30 Beschwichtigungssignale bekannt und es werden immer mehr. Die wohl bekanntesten sind:
- den Kopf abwenden
- das Hinsetzen
- das Hinlegen
- das Abwenden (Seite oder Hinterteil zeigen)
- der Gebrauch der Augen
- das Gähnen
- das Schnauze ablecken
- das Erstarren
- langsame Bewegungen
- das dazwischen Gehen (Splitten)
- das Blinzeln
- das Lächeln
- im Bogen gehen
- die Vorderkörpertiefstellung (bedingt anwendbar, z.B. beim Spielen in der Wohnung)
- sich die Nase lecken
- das Schnüffeln am Boden
- das Wedeln
- das Markieren (Urinieren)
- das Pfote heben
Natürlich kennen Hunde außer den Calming Signals (Beschwichtigungssignale),
- Drohsignale
- Aggressionssignale,
- sowie vermutlich noch einige Arten mehr.
Es braucht Zeit und Übung, bevor man gelernt hat, sie alle zu erkennen. Aber es ist die Arbeit und den Zeitaufwand wirklich wert. Tun wir es, werden wir in der Lage sein zu erkennen, was zum Beispiel in unserem Hund vor sich geht, wenn wir dazwischen gehen, um eine unangenehme Entwicklung zu stoppen oder ihm aus einer bedrohlichen Situation herauszuhelfen.
Wenn wir die Beschwichtigungssignale nicht nur kennen, sondern auch im Umgang mit unserem Hund praktisch anwenden, kann auch der Umgang in unserer Familie viel freundlicher werden, weil wir nicht wollen, dass der Hund durch unsere Streitigkeiten verunsichert wird. Die Hundesprache besser zu verstehen kann sehr förderlich sein.“